Vom Pimpen bis zur Promillegrenze
Diese Regeln gelten für Pedelec, E-Bike & Co. – Teil 2
Diese Regeln gelten für Pedelec, E-Bike & Co. – Teil 2
Kein Stau, keine Parkplatzsuche – und trotzdem schnell am Ziel: Gerade wenn die Temperaturen wieder steigen und die Sonne sich immer mehr blicken lässt, wird ein elektrisches Fahrrad zu einer echten Auto-Alternative. Der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Fahrradboom setzt sich auch 2022 fort.
Köln, 12. April 2022
Doch welche Regeln und Pflichten sind zu beachten, wenn man motorisiert durch die Gegend radelt? ROLAND-Partneranwalt Dirk Torsten Keller von der Kanzlei Winter Rechtsanwälte in Bergisch Gladbach kennt die Antworten.
Um zu wissen, welche Regeln bei der Nutzung eines Elektrofahrrads gelten, ist es zunächst einmal wichtig zu wissen, dass es ganz verschiedene Arten elektrisch unterstützter Zweiräder gibt: Der Begriff „E-Bike“, der sich hierzulande für alle Arten von Elektrorädern eingebürgert hat, umfasst gar nicht alle elektrischen Fahrräder, wie Dirk Torsten Keller erklärt: „Bei etwa 95-97 Prozent aller in Deutschland verkauften elektrisch unterstützten Zweiräder handelt es sich genau genommen um so genannte Pedelecs, was für Pedal Electric Cycle steht.“ Hier müssen Fahrer noch selbst in die Pedale treten und bekommen dabei – bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h – Unterstützung von einem Motor. Schneller kann man nur werden, wenn man mit seiner eigenen Kraftanstrengung stärker in die Pedale tritt. „Rechtlich gesehen ist das Pedelec einem Fahrrad gleichgestellt. Pedelec-Fahrer benötigen also weder ein Versicherungskennzeichen noch eine Zulassung oder einen Führerschein.
Pedelecs gibt es jedoch auch in einer schnelleren Variante: Die sogenannten S-Pedelecs erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 45 km/h und zählen damit zu den Kraftfahrzeugen. „Um diese zu führen, benötigt man eine Fahrerlaubnis der Klasse AM und ein eigenes Versicherungskennzeichen. Radwege dürfen nicht benutzt werden“, so der Anwalt.
Neben den oben genannten Pedelecs gibt es E-Bikes im engeren Sinn, die komplett ohne Tretunterstützung betrieben werden können. Rechtlich handelt es sich bei diesen Zweirädern mit elektrischem Motor – je nach Höchstgeschwindigkeit – entweder um Leichtmofas (bis 20 km/h), Mofas (bis 25 km/h) oder Kleinkrafträder (bis 45 km/h). Fährt das Rad schneller als 20 km/h, benötigt man einen Führerschein der Klasse AM und ein Versicherungskennzeichnen. „Wie beim Mofa dürfen E-Bikes bis zu 25 km/h außerorts auf Radwegen fahren. Innerorts ist das nur erlaubt, wenn dies ausdrücklich durch eine entsprechende Beschilderung erlaubt ist“, erklärt der Jurist. Für die elektrischen Flitzer mit bis zu 45 km/h ist die Nutzung von Radwegen tabu.
Viele kennen das Phänomen aus ihrer Jugend auf dem Mofa: 25 km/h sind schnell erreicht. Wie schön wäre es, wenn man aus seinem Pedelec doch noch etwas mehr rausholen könnte? Obwohl das technisch ohne allzu großen Aufwand machbar ist, rät der Rechtsanwalt entschieden davon ab: „Schon durch wenige Veränderungen wird das dem Fahrrad gleichgestellte Pedelec zu einem Kraftfahrzeug – und dann gelten völlig andere Voraussetzungen.“ Und selbst wenn es sich nicht um eine Geschwindigkeitserhöhung handelt, sollte man beim Schrauben vorsichtig sein: „Bei S-Pedelecs müssen sämtliche Austauschteile ausdrücklich den in der Betriebserlaubnis aufgeführten Teilen entsprechen – auch wenn sie das Rad nicht schneller machen. Falls ein S-Pedelec davon abweichend ausgestattet wird, zum Beispiel mit einer anderen Bremse, muss es erst einem Technischen Dienst vorgeführt werden, bevor es in den Straßenverkehr darf.“ Wer im öffentlichen Verkehrsraum ein verändertes Bike ohne entsprechende Betriebserlaubnis fährt, riskiert ein Bußgeld von 70 Euro und einen Punkt in Flensburg.
Außerdem kann eine unerlaubte Änderung ziemlich teuer werden: „Bei einem Unfall zahlt die private Haftpflichtversicherung in der Regel nicht. Das bedeutet, man muss im Zweifel selbst für den Schaden aufkommen. Wenn jemand schwer verletzt wird, kann dies zum finanziellen Ruin führen“, so der Anwalt.
Ein lauer Sommerabend im Biergarten oder eine nette Geburtstagsparty in der City: Schonmal gut, wenn man das Auto nicht dabeihat. Aber darf man sich nach ein paar Gläsern Alkohol überhaupt auf den motorisierten Drahtesel begeben?
Grundsätzlich liegt die Promillegrenze beim Fahrrad, und damit nach aktuellem Rechtsverständnis auch beim Pedelec, deutlich höher als beim Kfz: „Erst ab 1,6 Promille gelten Radfahrer als absolut fahruntauglich. Ist das der Fall, wird üblicherweise eine Strafanzeige gestellt und es drohen drei Punkte in Flensburg und eine Geldstrafe in Höhe eines Nettomonatsgehaltes“, so der Rechtsanwalt. Aber Achtung: Bei auffälligem Verhalten oder gar einem Unfall kann auch bei einer Promillegrenze ab 0,3 von einer relativen Fahruntauglichkeit ausgegangen werden. „In diesem Fall drohen in der Regel zwei Punkte und eine Geldstrafe. Meistens muss man auch an einer MPU teilnehmen, um seine Fahrerlaubnis zu behalten.“ Wer in einer normalen Verkehrskontrolle mit bis zu 1,5 Promille erwischt wird, aber nicht auffällig war, bleibt straffrei.
Für S-Pedelecs und E-Bikes gelten hingegen strengere Grenzwerte – nämlich dieselben wie für Pkw. „Danach handelt ordnungswidrig, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut hat. Beim ersten Verstoß drohen zwei Punkte, 500 Euro Geldstrafe und ein Monat Fahrverbot. Für Wiederholungstäter gelten höhere Sanktionen“, weiß der Anwalt. „Wer mit einem Promillewert von 1,1 oder mehr mit einem S-Pedelec oder E-Bike unterwegs ist, begeht sogar eine Straftat, da man hier von einer absoluten Fahrunsicherheit ausgeht.“ Sie führt zum Entzug des Führerscheins sowie einer Freiheits¬- oder Geldstrafe und drei Punkten. Die gleichen Strafen gelten übrigens bereits ab 0,3 Promille, wenn man unter Alkoholeinfluss den Verkehr gefährdet hat! Daher gilt auch fürs elektrische Zweirad die Devise: Don’t drink and drive….
Rechtsanwalt Dirk Torsten Keller hat im Jahr 2002 sein Examen in Köln absolviert und ist seit 2004 Partner der Kanzlei Winter Rechtsanwälte. Dort ist er als Fachanwalt für die Bereiche Verkehrs- und Versicherungsrecht, sowie für Bau- und Architektenrecht zuständig. Dirk Torsten Keller bietet seinen Mandanten in Stresssituationen seine anwaltliche Hilfe an und versucht bestmöglich die Interessen dieser zu vertreten. Neben dem Standort Bergisch Gladbach ist die Kanzlei Winter Rechtsanwälte auch in Köln vertreten.
Dirk Torsten Keller
Kanzlei Winter Rechtsanwälte