Süßes statt Saures
Rechtstipps zu Halloween
Rechtstipps zu Halloween
Wenn am Abend des 31. Oktober Hexen, Geister oder Skelette an der Haustür klingeln: Keine Sorge – sie sind in der Regel harmlos und mit Süßigkeiten zu beschwichtigen. Denn der US-amerikanische Brauch, in gruseligen Kostümen von Haus zu Haus zu ziehen und „Saures“ anzudrohen, wenn das „Süße“ ausbleibt, gewinnt auch hierzulande immer mehr an Beliebtheit unter Kindern. Wer dann die Tür nicht öffnet oder gar die Schokolade versagt, muss mit Streichen rechnen.
Köln, 25. Oktober 2023
Doch wo hören harmlose Kinderstreiche auf und wo fängt die Strafbarkeit an? Wann liegt zum Beispiel eine Sachbeschädigung vor? Als Partneranwalt von ROLAND Rechtsschutz klärt Ansgar Bigge von der Kanzlei Bietmann Rechtsanwälte Steuerberater auf, was an Halloween erlaubt ist und wann der Gruselspaß aufhört.
„Süßes, sonst gibt’s Saures!“ – wo viele Kinder schlicht einem Brauch nachgehen, sehen andere eine Drohung. Und die kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen: „Je nachdem, womit gedroht wird, kann eine strafrechtliche Nötigung angenommen werden. Es ist eine Sache, mit Toilettenpapier am Baum zu drohen, eine andere jedoch bei Weigerung der Herausgabe von Süßigkeiten den Autolack zerkratzen zu wollen. Hierfür kann man rechtlich belangt werden“, weiß ROLAND-Partneranwalt Ansgar Bigge. „Eine Nötigung liegt jedoch im Ergebnis erst dann vor, wenn der Bedrohte die Verwirklichung des ‚Sauren‘ tatsächlich für möglich hält und von ihm nicht erwartet werden kann, dieser Drohung standzuhalten. Ein bloßer Kinderstreich stellt kein strafbares Verhalten dar. Erst wenn das Kind die Drohung ernst meint und dazu bereit ist, mit einem völlig überzogenen Streich zu reagieren, sind die Grenzen zur Strafbarkeit überschritten.“
Mit welchen Strafen die Täter rechnen müssen, hängt dabei von unterschiedlichen Faktoren ab – wie deren Alter, der vorgeworfenen Straftat oder etwaigen Vorstrafen. „So sind Kinder unter 14 Jahren nicht schuldfähig und müssen daher keine strafrechtlichen Konsequenzen befürchten. Hingegen müssen Täter über 21 bei Nötigung oder einer Sachbeschädigung mit einer Geldstrafe rechnen, wenn keine Vorstrafen bestehen. Diese richtet sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters“, warnt Rechtsanwalt Ansgar Bigge.
Wer nach dem Halloween-Brauchtum die Süßigkeiten versagt, muss mit Streichen rechnen. Hier sind der Fantasie nur rechtliche Grenzen gesetzt. Denn ob „nur“ das Haus mit lösbarer Wasserfarbe beschmiert oder ob ein rohes Ei ans Fenster oder gar eine Farbbombe an die Hausfassade geworfen wird, macht strafrechtlich einen erheblichen Unterschied – wie Ansgar Bigge erklärt: „Nicht nur bei einer Verletzung der Substanz einer Sache liegt eine Sachbeschädigung vor. Auch wenn das Erscheinungsbild erheblich und nachhaltig beeinträchtigt wird, handelt sich um eine Sachbeschädigung.“ Das ist dann der Fall, wenn unmittelbar auf die Substanz einer Sache selbst eingewirkt wird und die Veränderungen nicht ohne größeren Aufwand binnen kurzer Zeit selbst wieder vergehen oder entfernt werden können. Ein Paradebeispiel dafür: Das Besprühen einer Hauswand mit Graffiti. Sobald man die Sachbeschädigung bemerkt, sollte diese dokumentiert werden. Der Rechtsexperte rät dann, Fotos oder Videos anzufertigen und nach etwaigen Zeugen des Vorgangs zu suchen. Erwischt man die Übeltäter direkt auf frischer Tat, ist jedoch von Selbstjustiz dringend abzuraten. Anderenfalls kommt plötzlich eine Strafbarkeit des „Opfers“ der Sachbeschädigung in Betracht.
Den Spruch „Eltern haften für ihre Kinder“ hört oder liest man häufig. Doch was viele nicht wissen: Tatsächlich können Kinder ab einem Alter von sieben Jahren zivilrechtlich selbst haften! Rechtsanwalt Ansgar Bigge erklärt: „Ab diesem Alter wird Kindern zugesprochen, dass sie sich über Recht und Unrecht bewusst sind. Sie dürften im Regelfall also wissen, dass sie bei Verweigerung der Herausgabe von Süßigkeiten nicht fremdes Eigentum beschädigen dürfen. Eltern haften wiederum nur dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzen.“ Die Aufsichtspflicht bestimmt sich nach dem konkreten Einzelfall und hängt besonders von dem Alter des Kindes sowie dem Ausmaß der Gefahr ab. Insbesondere jüngere Kinder sollten an Halloween bei ihren Streifzügen durch die Nachbarschaft also von mindestens einem Elternteil begleitet werden. „Allgemein sollte sichergestellt werden, dass den Kindern bewusst ist: Der Ausspruch ‚Süßes oder es gibt Saures‘ darf nicht in die Tat umgesetzt werden“, so der ROLAND-Partneranwalt. Allerdings sieht die Praxis häufig anders aus. So ist es wohl pragmatischer, Schäden durch Kinder einfach über die Haftpflicht-Versicherung der Eltern abzuwickeln.
Nicht nur für die Kinder ist Halloween ein beliebter Tag. Dadurch, dass auf den 31. Oktober Allerheiligen folgt und damit in vielen Bundesländern ein gesetzlicher Feiertag, freuen sich auch viele Erwachsene über das große Angebot an (Kostüm-)Partys. Doch Achtung: „Allerheiligen gilt in diesen Bundesländern als sogenannter stiller Feiertag. Wie an Karfreitag darf dann ab einer bestimmten Uhrzeit, die von Land zu Land variiert, nicht mehr getanzt werden. Auch Musik darf dann in öffentlichen Gaststätten und Lokalen nicht mehr gespielt werden – unabhängig davon, ob die Party dort vom Wirt oder privat veranstaltet wird“, erklärt der Rechtsexperte. Sich über das gesetzliche Tanzverbot hinwegzusetzen, ist übrigens kein Kavaliersdelikt: Wer trotzdem feiert, muss mit einer Geldbuße rechnen, die mehrere tausend Euro betragen kann.
Rechtsanwalt Ansgar Bigge ist seit 2022 Anwalt in der Kanzlei Bietmann Rechtsanwälte Steuerberater und ist an den Standorten Köln und Duisburg tätig. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehören das Handels- und Gesellschaftsrecht, sowie das Zivilrecht. Während des Jura-Studium belegte Ansgar Bigge die Schwerpunkte Zivilrechtspflege, Anwaltsberuf und Notariat. Als überregional tätige Wirtschaftskanzlei erbringt die 1990 gegründete Sozietät Bietmann an zehn Standorten in Deutschland Rechts- und Steuerberatung.
Ansgar Bigge
Sozietät Bietmann