Kein Kita-Platz weit und breit?
Was Eltern zum Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung wissen sollten
Was Eltern zum Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung wissen sollten
Seit dem 1. August 2013 haben Eltern in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr – soweit die Theorie. In der Praxis suchen viele verzweifelte Eltern oft lange nach Unterstützung, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen in vielen Regionen weit auseinander. Aber was tun, wenn weit und breit kein Kita- oder Kindergartenplatz in Sicht ist?
Köln, 19. Dezember 2023
ROLAND-Partneranwalt Ansgar Bigge von der Sozietät Bietmann Rechtsanwälte Steuerberater PartmbB erklärt alles Wichtige zum Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung.
Der deutschlandweite Anspruch auf Kinderbetreuung für Kinder zwischen einem und drei Jahren wurde im Sozialgesetzbuch rechtlich verankert. Außerdem gilt schon länger, dass alle Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt, das Recht auf einen Kindergartenplatz haben. „Grundsätzlich haben damit alle Eltern, die ihre Kinder nicht selbst betreuen können, Anspruch auf einen Betreuungsplatz“, erläutert Ansgar Bigge, Partneranwalt von ROLAND Rechtsschutz. „Dennoch gibt es für Eltern leider oftmals keine Garantie, dass ihr Kind tatsächlich betreut werden kann.“
Auch wenn der Bund seit einigen Jahren den Ausbau der Betreuungsplätze massiv vorantreibt, ist die regionale Verteilung sehr unterschiedlich. In vielen Städten und Orten sind die vorhandenen Kapazitäten in Kindertagesstätten oder Kindergärten oft überlastet, und die Wartelisten scheinen endlos zu sein. „In solchen Fällen ist es wichtig, dass Eltern ihre Rechte kennen und wissen, wie sie vorgehen können, um den gesetzlichen Anspruch auf Kinderbetreuung durchzusetzen“, so der Experte für Zivilrecht.
Es ist besonders wichtig, dass Eltern frühzeitig bei der Suche nach einem Platz aktiv werden. „Bei einer Wunscheinrichtung können sich Eltern direkt anmelden, zusätzlich sollten sie den Anspruch bei den örtlichen Jugendämtern geltend machen“, erklärt Rechtsanwalt Bigge. Die entsprechenden Kita-Formulare für den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung sind auf den Websites der meisten Jugendämter zu finden. Der Platz sollte allerspätestens drei Monate, besser mindestens sechs Monate, vor dem geplanten Kitabesuch angemeldet werden, um rechtzeitig berücksichtigt werden zu können. „Es ist wichtig, frühzeitig zu handeln, um alternative Möglichkeiten zu prüfen und gegebenenfalls den Betreuungsplatz rechtlich einzufordern“, raät ROLAND-Partneranwalt Bigge. „Erst wenn das Jugendamt keinen freien Platz zur Verfügung stellen konnte, ergeht ein Ablehnungsbescheid, welcher wiederum das Widerspruchs- und Klageverfahren eröffnet.“
Kommunen sind verpflichtet, Eltern zumutbare Kinderbetreuungsplätze anzubieten. Die Zumutbarkeit wird von den Verwaltungsgerichten am jeweiligen Fall bestimmt. Als grobe Richtlinie wird aber eine Wegstrecke vom Wohnort zur Einrichtung von nicht mehr als 30 Minuten als zumutbar angenommen. „Wenn trotz rechtzeitiger Anmeldung und eigener Bemühungen kein zumutbarer Betreuungsplatz vom Jugendamt zur Verfügung gestellt werden kann, wird der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung nicht erfüllt“, hält der ROLAND-Anwalt fest. Achtung: wer einen zumutbaren Kinderbetreuungsplatz ablehnt, verliert seine Schadensersatzansprüche!
Sobald der Ablehnungsbescheid des Jugendamts im Briefkasten angekommen ist, muss in den meisten Bundesländern innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Ab diesen Zeitpunkt haben Eltern verschiedene Optionen, um ihren Anspruch juristisch geltend zu machen.
„Nachdem die Ablehnung durch das Jugendamt vorliegt, besteht die Möglichkeit, den Betreuungsplatz beim zuständigen Verwaltungsgericht einzuklagen. Die Klagen haben Erfolg, wenn freie Plätze zur Verfügung stehen bzw. sich die Kapazität der Kindertagesstätten erweitern lässt“, erklärt Bigge. Auch hier ist es wichtig, möglichst schnell zu handeln, da die Zeit bis zur benötigten Betreuung oft drängt. „In solchen Fällen sollten Eltern unbedingt ein Eilverfahren beantragen, das meist innerhalb weniger Wochen entschieden wird.“
„Sollten tatsächlich keine zumutbaren Betreuungsplätzen angeboten werden können, haben die Eltern Ersatzansprüche gegenüber der Kommune“, so Rechtsanwalt Bigge weiter. Es besteht die Möglichkeit, sich nach alternativen Betreuungsmöglichkeiten bei privaten Anbietern umzuschauen. Die Mehrkosten im Vergleich zur öffentlichen Kita können dann gegenüber der Kommune eingeklagt werden.
Ebenso kann auch die Erstattung von Verdienstausfällen, die durch die fehlende Kinderbetreuung entstehen, gerichtlich eingefordert werden. Der Schadensersatz wird beim zuständigen Landgericht eingeklagt.
„Eltern haben einen gesetzlichen Anspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr und sollten diesen – wenn nötig – auch rechtlich durchsetzen. Wenn keine zumutbaren Kitaplätze zur Verfügung gestellt werden, haben Eltern Anspruch auf Schadensersatz“, so das Fazit von ROLAND-Partneranwalt Bigge.
Rechtsanwalt Ansgar Bigge ist seit 2022 Anwalt in der Kanzlei Bietmann Rechtsanwälte Steuerberater und ist an den Standorten Köln und Duisburg tätig. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehören das Handels- und Gesellschaftsrecht, sowie das Zivilrecht. Während des Jura-Studium belegte Ansgar Bigge die Schwerpunkte Zivilrechtspflege, Anwaltsberuf und Notariat. Als überregional tätige Wirtschaftskanzlei erbringt die 1990 gegründete Sozietät Bietmann an zehn Standorten in Deutschland Rechts- und Steuerberatung.
Ansgar Bigge
Sozietät Bietmann