Der gekaufte Pullover ist zu groß, das Auto nach kurzer Zeit defekt oder die Immobilie feucht – es gibt viele Gründe, warum man von einem Kaufvertrag zurücktreten möchte. Aber geht dies ohne Weiteres?
Köln, 29. Juni 2021
Was rund um den Rücktritt vom Kaufvertrag zu beachten ist, klärt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Constantin Martinsdorf aus der Kanzlei Bietmann mit Sitz in Köln und Bergisch-Gladbach, Partneranwalt der ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG.
Voraussetzung 1: Rücktritt nur mit gültigem Grund
In der Regel kann man vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn man keine Ware erhalten hat oder ein Sach- bzw. Rechtsmangel vorliegt. „Der Verkäufer muss eine mangelfreie Sache liefern. Andernfalls hat der Kunde grundsätzlich ein gesetzliches Rücktrittsrecht“, erklärt Rechtsanwalt Constantin Martinsdorf. Ein Fleck an einem Kleidungsstück beispielsweise kann ein wesentlicher Mangel sein und berechtigt zur Rückgabe oder zum Umtausch. Das gilt allerdings nicht, wenn die Klamotte explizit wegen des Flecks reduziert war. Zudem handelt es sich um einen unerheblichen Mangel, wenn dieser leicht zu beseitigen ist (zum Beispiel Staub auf dem Produkt).
Ein dritter Fall ist ein vertragliches Rücktrittsrecht: So kann beispielsweise im Kaufvertrag stehen, dass der Käufer innerhalb einer bestimmten Frist oder bei Nicht-Erfüllung des Vertrags zurücktreten darf und den Kaufpreis zurückerhält. Das ist zum Beispiel oft bei Online-Käufen der Fall, wenn der Händler eine kostenlose Retoure anbietet.
Wichtiger Unterschied: Widerruf der Willenserklärung
Vom Rücktrittsrecht zu unterscheiden ist das gesetzliche Widerrufsrecht. Dieses gilt zum Beispiel, wenn Verbraucher Waren per Fernabsatzgeschäft (zum Beispiel online) oder per Haustürgeschäft gekauft haben. „Sollte ein Käufer solch einen Kauf widerrufen wollen, muss er dies innerhalb von 14 Tagen tun“, sagt der ROLAND-Partneranwalt. „Die Frist beginnt mit Vertragsschluss, beim Fernabsatzgeschäft jedoch erst, wenn die Ware beim Käufer eingetroffen ist.“ Fast alles online Gekaufte kann also innerhalb von zwei Wochen zurückgegeben werden. Was Viele nicht wissen: Eigentlich genügt es nicht, die Ware kommentarlos zurückzuschicken. „Der Widerruf sollte schriftlich per E-Mail oder mit einem Schreiben im Paket erfolgen“, rät der Rechtsexperte.
Voraussetzung 2: Chance zur Nacherfüllung
Ist ein gekauftes Produkt nicht angekommen oder mangelhaft, steht dem Verkäufer zunächst eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bzw. Nachbesserung zu. „Die Frist kann sowohl schriftlich als auch mündlich festgelegt werden. Dringend anzuraten ist allerdings eine schriftliche Fristsetzung“, so Constantin Martinsdorf. „Angemessen ist es in der Regel, eine 14-tägige Frist zur Nacherfüllung bzw. Nachbesserung zu setzen. Es kann aber ausreichend sein beispielsweise eine ‚sofortige’, ‚umgehende’ oder ‚unverzügliche’ Leistung zu verlangen.“ Damit sei klar, dass der Schuldner die Forderungen in einer begrenzten Zeit erfüllen muss.
Lässt der Verkäufer diese Frist ungenutzt verstreichen oder lehnt es ab, den Mangel zu beheben oder eine mangelfreie Sache auszuhändigen, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten. Das gleiche gilt auch, wenn die Nacherfüllung endgültig fehlgeschlagen ist (in der Regel nach zwei gescheiterten Versuchen) oder die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, zum Beispiel weil er für die Reparatur quer durch Deutschland fahren müsste.
Voraussetzung 3: Rücktrittserklärung
Sind alle Voraussetzungen für einen Rücktritt gegeben, muss der Verkäufer natürlich darüber informiert werden. Rechtsexperte Constantin Martinsdorf erläutert: „Wer ganz sichergehen will, tritt daher am besten schriftlich vom Kauf zurück und lässt das Rücktrittsschreiben von einer dritten Person überbringen, die gegebenenfalls bezeugen kann, dass die Rücktrittserklärung tatsächlich an den Verkäufer zugestellt worden ist.“ Zumindest sollte die Kündigung per Einschreiben verschickt werden. Grundsätzlich gibt es hierfür jedoch keine formellen Regeln.
Hinweise für den Autokauf
Auch ein Neu- oder Gebrauchtwagen muss Mängel haben, damit ein Rücktritt möglich ist. „Es müssen ‚erhebliche Mängel‘ an der Kaufsache vorliegen. Dabei wird in erster Linie auf das Verhältnis zwischen Kaufpreis und Reparaturkosten abgestellt, wobei ein Nachbesserungsaufwand von 5 Prozent des Preises als erheblich anzusehen ist“, erklärt der ROLAND-Partneranwalt. Außerdem zu beachten: In den ersten sechs Monaten muss der Händler nachweisen, dass das Fahrzeug bei der Übergabe noch in Ordnung war. Danach muss der Käufer beweisen, dass der Mangel vor dem Kauf entstanden ist.
Das gilt jedoch nicht für private Verkäufer, die die Haftung vertraglich ausschließen können und damit keine Nachbesserungen leisten müssen. Nur, wenn im Kaufvertrag bestimmte Eigenschaften des Autos garantiert wurden oder der vorherige Besitzer von den Mängeln wusste, kann ein Käufer zurücktreten. „Ein solch arglistiges Verhalten nachzuweisen, ist meist aber sehr schwierig“, meint Constantin Martinsdorf.
Hinweise für den Immobilienkauf
Auch beim Immobilienkauf gibt es ein paar Besonderheiten: Ein Rücktritt vom Kaufvertrag für den Hauskauf ist nach der notariellen Beglaubigung nicht mehr ohne weiteres möglich. Ein Rücktrittsrecht kann allerdings zum Beispiel gesondert vertraglich vereinbart werden. Wenn der Verkäufer den Käufer arglistig getäuscht hat, ist ein Rücktritt unter Umständen auch unabhängig hiervon möglich: „Das wäre beispielsweise der Fall, wenn der vorherige Eigentümer vor dem Verkauf mit Handwerkern über Schäden gesprochen, sie beim Verkauf aber verschwiegen hat“, sagt der Rechtsanwalt. Constantin Martinsdorf: „Zusätzlich sollte ein Käufer prüfen, ob er Schadenersatzansprüche hat.“ Statt vom Kauf zurückzutreten, besteht alternativ die Möglichkeit, den Kaufvertrag anzufechten oder den Kaufpreis zu mindern.
Ob Pullover, Auto oder Immobilie – wer einen Kaufvertrag rückgängig machen möchte, muss einiges beachten. Als Faustregel kann man sich die drei Voraussetzungen „Rücktrittsgrund“, „Chance auf Nacherfüllung“ und „Rücktrittserklärung“ merken.
Unser Partneranwalt
Constantin Martinsdorf ist als Rechtsanwalt in der Kanzlei Bietmann in Köln und Bergisch-Gladbach tätig. Er berät in den Gebieten des Arbeits- und Vertragsrechts, des Sportrechts, des IT-Rechts sowie des Medien- und Kommunikationsrechts. Als überregional tätige Wirtschaftskanzlei erbringt die 1990 gegründete Sozietät Bietmann an neun Standorten Rechtsberatung und Steuerberatung
Constantin Martinsdorf
Kanzlei Bietmann